Nationales Obduktionsregister für interdisziplinäre Forschung  ​

Obduktionsdaten helfen beim Verständnis von Krankheiten. Das Deutsche Register für COVID-19-Obduktionen ist Grundlage für das nationale Obduktionsregister.

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Mit Etikett versehene Füße eines toten Menschen im Kühlhaus.

(Bild: ESB Professional/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Imke Stock
Inhaltsverzeichnis

Obduktionen helfen bei einem besseren Verständnis von Krankheiten und Krankheitserregern und den Schäden, die diese an Organen, Gewebe und Zellen verursachen. Bisher gibt es noch keine einheitliche nationale Datenbank, die alle klinischen Obduktionen in Deutschland erfasst. Künftig können Daten zu Obduktionen in dem Nationalen Obduktionsregister (NAREG) gesammelt werden, um mittels Forschung und Wissenstransfer im Krankheitsmanagement, bei der Patientenversorgung und in der Therapie zu helfen.

Mitarbeiter des Universitätsklinikum RWTH Aachen und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf berichten in einer Publikation über die Entwicklung und Fortschritte des Nationalen Obduktionsnetzwerks (NATON). Durch eine schnelle elektronische Erfassung von Obduktionsdaten und fortlaufende zentrale Überwachung dieser Daten lassen sich neuartige Erkrankungen und deren Ausbreitung schneller erkennen. Bei Bedarf könnten auch Krankheitserreger durch systematische Obduktionen schneller charakterisiert werden. NAREG soll dabei auch die Zusammenarbeit auf nationaler sowie internationaler Ebene weiter verbessern.

Erste Erfahrungen mit einem Obduktionsregister wurden während der Corona-Pandemie mit dem Deutschen Register für COVID-19 Obduktionen (DeRegCOVID) gemacht. Die in DeRegCOVID gesammelten und analysierten Daten waren Grundlage für die weltweit bislang größte nationale multizentrische COVID-19-Obduktionsstudie. Die Studie basierte auf Daten aus über 1.100 Obduktionsfällen. Sie lieferte Erkenntnisse zur Pathophysiologie und den Verläufen der Erkrankung. Dieses Wissen konnte damals für die Patientenversorgung und Therapie genutzt werden.

Aus diesem ersten Obduktionsregister ging das Deutsche Forschungsnetz für Obduktionen bei Pandemien (DEFEAT PANDEMIcs) hervor, das sich zum Nationalen Obduktionsnetzwerk (NATON) (https://naton.network/) weiterentwickelt hat. NATON will die Vernetzung und den Wissenstransfer zwischen Pathologie, Neuropathologie und Rechtsmedizin vorantreiben. Dafür stellt NATON eine Daten- und Methodenplattform für vernetzte obduktionsgestützte Forschung bereit. Neben Infektionskrankheiten und Pandemiemanagement ist NATON prinzipiell für alle obduktionsgetriebenen Projekte und Anwendungsfälle konzipiert. Die Daten für solche Projekte könnten zukünftig aus NAREG kommen.

NAREG startet im August 2023. Es wird als zentrales Register in einem ISO-27001-zertifizierten Rechenzentrum betrieben. Nutzer bekommen einen webbasierten Zugang, der über eine Zwei-Faktor-Authentifizierung abgesichert ist. Die Datenübertragung erfolgt über eine TLS-verschlüsselte Verbindung. Daten werden nur elektronisch übermittelt. Alle Proben, die im Rahmen der Obduktion entnommen werden, verbleiben dezentral im jeweiligen Obduktionszentrum und werden dort verwahrt.

Bislang haben sich 33 universitäre und sechs nicht-universitäre Zentren beteiligt. Gleichwohl es sich um ein nationales Register handelt, gehören seit 2023 auch zwei österreichische internationale Zentren dazu. NAREG besteht aus dem Kerndatensatz Obduktion und weiteren angeschlossenen Modulen, die pathologische Themenbereiche abdecken. Obduktionsdaten werden anhand eines Kerndatensatzes standardisiert erfasst. Als Software für die Datenerfassung kommt REDCap zum Einsatz. Der Kerndatensatz des obduzierten Toten enthält Angaben zum Geschlecht, Alter, Todesursache, Befunde und klinische Daten.

DeRegCOVID, das als Basis für den Aufbau von NAREG diente, ist nun eines der an den Kerndatensatz angeschlossenen Module. Dazu kommen das Modul "metastasierender Krebs", das Modul "ICU" und das Modul "Borna Viren".

Klassische Obduktionen gelten als Goldstandard in der postmortalen Diagnostik und können die klinische Qualitätssicherung in der Medizin unterstützen. Allerdings sinkt die Obduktionsrate in Deutschland seit Jahren und ist im Vergleich zu anderen Ländern niedrig. Dennoch könnten Erkenntnisse aus NAREG allgemein bei der klinischen Qualitätssicherung und in der Umsetzung von entsprechenden Maßnahmen in Krankenhäusern helfen. Aktuell ist jedoch der Umgang mit den Daten der Toten noch nicht richtig geklärt.

Normalerweise liegt keine Einwilligung der Person zu ihrer Obduktion im Vorfeld des Todes vor. Möchten Mediziner eine Obduktion aus pathologischen oder klinischen Gründen durchführen, müssen sie sich von den totensorgeberechtigten Angehörigen deren Einwilligung geben lassen. Gegen den Willen der Angehörigen kann eine klinische Obduktion nur in bestimmten Fällen vom Gesundheitsamt angeordnet werden. Rechtsmedizinische Obduktionen von nicht-natürlichen Todesfällen sind ein Sonderfall. Dort entscheidet die Staatsanwaltschaft über die Durchführung der Obduktion.

(mack)